Best-Practice für die Erhebung und Auswertung von Messdaten
Stand: 02.09.2024
Die Überprüfung der Berechnungsergebnisse von Kanalnetzmodellen erfordert verlässliche Messdaten des Niederschlags- und Abflussgeschehens. Aktuelle Datenauswertungen zeigen z.B., dass Sonderbauwerke nicht immer so funktionieren wie geplant 1 2 3 4 und dass modellierte Niederschlagsabflüsse oftmals deutlich überschätzt werden 5 6. Solche Auswertungen können allerdings nur angestellt werden, wenn die Messgeräte funktionieren und die ständig anfallenden Messdaten zeitnah geprüft, wenn nötig korrigiert, regelmässig ausgewertet und nachvollziehbar archiviert werden.
Messdatenmanagement
Messdatenmanagementsystem
Zur Verarbeitung und Archivierung der Massendaten wird ein Messdatenmanagementsystem (MDMS) empfohlen 7. Dieses dient nicht nur zur kontinuierlichen und dauerhaften Speicherung, sondern bietet im Vergleich zu Prozessleitsystemen weitergehende Funktionen zur Datenkorrektur, Aufbereitung, und Auswertung, sowie zum Austausch von Mess- und Metadaten.
In DWA M151 werden sieben Grundfunktionen eines MDMS genannt: i) Import, ii) Datenprüfung (manuell und automatisch), iii) Datenkorrektur, iv) Auswertung, v) Dokumentation, vi) Export, vii) Archivierung und erweiterte Funktionalitäten zur Analyse von Regendaten (Extremwertstatistik, Erstellen von jährlichen und partiellen Serien, etc.), und Abflussdaten (Hoch- und Niedrigwasserstatistik, automatischer Vergleich von Messgrößen mit statistischen Kenngrößen, Verwaltung von Metadaten und Umrechnungs- oder Kalibrierungsprotokollen, etc.) beschrieben. Damit geht ein MDMS über die Funktionen eines typischen Prozessleitsystems oder Tabellenkalkulation hinaus und benötigt spezifische Datenbank- oder Softwarelösungen 8.
Da Messdaten im Zuge der Digitalisierung mehr und mehr als wertvolle Ressource wahrgenommen werden, erfordert die Qualitätssicherung auch organisatorische Anpassungen (je nach Betriebsgrösse). Betreiber:innen von Kanalisationen sollten den Umgang mit den Messdaten als Geschäftsprozesses betrachten und mindestens zwei Personen mit der Administration, Pflege und Anwendung des MDMS vertraut machen 9.
Eindeutige Speicherung des Beckenwasserstandes mit Zeitstempel
Jeder aufgezeichnete Messwert des Beckenwasserstandes benötigt einen «Zeitstempel», d.h. es muss die genaue Zeit des Messwertes in geeigneter Weise mit registriert werden. 10
Speicherung der Rohdaten
Die gewonnenen Messdaten liegen zunächst als Ganglinie des Beckenwasserstandes vor. Es empfiehlt sich dringend, diese Ganglinie als Rohdatensatz zu speichern und nicht nur die bereits weiterverarbeiteten Daten (etwa nur die ermittelten Überlaufereignisse). Sind zum Beispiel nur Beginn und Ende der Überlaufereignisse gespeichert, aber die zugrundeliegende Ganglinie nicht mehr greifbar, ist es kaum mehr möglich, eine Plausibilitätskontrolle der Messung vorzunehmen und auch das korrekte Erkennen der Überlaufereignisse kann dann nicht mehr überprüft werden. Die Rohdaten sollten auf Dauer verfügbar sein 11. Dies vor allem auch im Hinblick auf das mehrjährige Reporting, in welchem Trends ausgemacht werden können.
Datenarchive
Alle erhobenen Daten müssen regelmässig gesichert werden, damit bei einem Ausfall oder Defekt der eingesetzten Software die bereits erhobenen Daten sicher sind. Dies erzielt man mit dem Erstellen von Datenarchiven. Datenarchive sollen regelmässig auf ihre Lesbarkeit überprüft werden. Zudem sollte beachtet werden, dass digitale Datenträger Alterungsprozessen unterliegen sowie oftmals durch neue Technologien abgelöst werden. Die Datenspeicherung sollte daher falls nötig den neuen Speichertechnologien angepasst werden, damit die Daten weiterhin lesbar bleiben. 12
Messeinrichtungen
Wasserstandmessung
Tauchsonden, Ultraschall-Abstandssonden oder Radar-Abstandssonden.
Bei Verwendung von berührungslosen Messtechniken (Ultraschall/Radar), ist die Installationshöhe entscheidend. Das Messgerät darf nicht zu tief sitzen, damit die Erfassung des Entlastungsverhalten gewährleistet werden kann. Der Messort muss zudem für Wartungszwecke gut zugänglich sein 13. Für Details zu den Messprinzipien und Messgeräten siehe 14.
Zur Überprüfung der Messgeräte empfehlen verschiedene Richtlinien regelmäßige, mindestens jedoch jährliche Überprüfungen und Kalibrierungen, z.B. der Mess- und Drosseleinrichtungen von Kanalisationen und Sonderbauwerken. 15
Prozessleitsystem
Zur Erfassung und Speicherung der Daten ist ein Prozessleitsystem erforderlich. Mit den Daten über die Einstau- und Entlastungsaktivität können schlussendlich Visualisierungen (Ganglinien) dargestellt werden oder die Daten in Berichtform (Protokoll) herausgegeben werden. Bei der Wahl eines PLS bedient man sich der auf dem Markt gängigen Hersteller:innen. 16
Messdatenerhebung und Messgenauigkeit
Auswertung von Überlaufereignissen
Die Messdatenerhebung erfolgt ereignis- und/oder zeitlich gesteuert. Damit auch kurze Überlaufereignisse registriert werden, wird ein 1- oder höchstens 2-minütiges Zeitintervall empfohlen. Bei zu grossen Datenabständen führt die Entlastungsprotokollierung zu falschen Ergebnissen. 17 18 19
Die Dauer der Entlastungsereignisse (in Stunden pro Jahr) ergibt sich aus der aufsummierten Dauer innerhalb des Messzeitraums. Die Häufigkeit (in Tagen pro Jahr) ergibt sich aus der Anzahl der Kalendertage, an denen mindestens einmal dieses Ereignis geherrscht hat. Dauert ein Entlastungsereignis über Mitternacht hinweg, so zählen beide Tage hinzu. 20
Hinweis zu akku- oder batteriebetriebenen Mess- und Datenübertragungssystemen
Es besteht der Nachteil, dass die angeschlossenen Messgeräte (z.B. Wasserstandmessung) nur zeitweise betrieben werden können. Der Einstellung des Zeitintervalls, in dem tatsächlich gemessen wird, kommt daher eine entscheidende Bedeutung zu. Das Zeitintervall sollte maximal 5-10 Minuten betragen und ab einem festzulegenden Grenzwasserstand sollte das Aufzeichnungsintervall auf 1-minütlich geändert werden (Ereignissteuerung). Die lokal aufgezeichneten Messwerte müssen 1:1 mit Zeitstempel ins PLS übernommen werden. 21
Probebetrieb
Nach einer Nachrüstung oder Neuinstallation von Messgeräten/Apparaten ist eine zeitnahe Überprüfung der Messdaten mittels einer Ganglinienauswertung (und deren Plausibilitätsprüfung) sehr empfohlen. So können Messzeitintervalle, wenn notwendig, umgehend angepasst werden.
- Dittmer, U., Alber, P., Seller, C., Lieb, W., 2015. Kenngrössen für die Bewertung des Betriebes von Regenüberlaufbecken. Presented at the Jahrestagung der Lehrer und Obleute der Kläranlagen- und Kanal-Nachbarschaften des DWA-Landesverbands Baden-Württemberg am 25./26. März 2015. ↩︎
- Hoppe, H., Fricke, K., Kutsch, S., Massing, C., Gruber, G., 2016. Von Daten zu Werten – Messungen in Entwässerungssystemen. Aqua & Gas 96, 26–31. ↩︎
- LANUV, 2018. ABSCHLUSSBERICHT ZUM PILOTPROJEKT :: REGEN 4.0. Lanuv, Düsseldorf. ↩︎
- LfU, 2012. Merkblatt Nr. 4.3/14 – Messdaten von Regenüberlaufbecken Leitfaden für ihre Prüfung und Wertung. Bayerischen Landesamtes für Wasserwirtschaft – Referat 66, München. ↩︎
- Baumann, P., Lieb, W., Weiss, G., 2017. Regenbecken im Mischsystem Messen, Bewerten und optimieren – Praxisleitfaden für den Betrieb von Regenbecken, 1st ed. DWA Landesverband Baden-Württemberg. ↩︎
- Klippstein, Dittmer, U., 2018. Betrieb von Regenüberlaufbecken. ↩︎
- Merkblatt DWA-M-151 «Messdatenmanagementsysteme (MDMS) in Entwässerungssystemen», Herausgeber: DWA, August 2014 ↩︎
- Merkblatt DWA-M-151 «Messdatenmanagementsysteme (MDMS) in Entwässerungssystemen», Herausgeber: DWA, August 2014 ↩︎
- Merkblatt DWA-M-151 «Messdatenmanagementsysteme (MDMS) in Entwässerungssystemen», Herausgeber: DWA, August 2014 ↩︎
- RÜB-BW, DWA-Landesverband Baden-Württemberg [Stand 10.11.2021];
https://www.rueb-bw.de/fachinformation/grundlagen_regenbecken/
https://www.rueb-bw.de/fachinformation/messtechnik/ ↩︎ - RÜB-BW, DWA-Landesverband Baden-Württemberg [Stand 10.11.2021];
https://www.rueb-bw.de/fachinformation/grundlagen_regenbecken/
https://www.rueb-bw.de/fachinformation/messtechnik/ ↩︎ - Publikation «Messeinrichtungen für Regenüberlaufbecken, Handlungsempfehlung für die Nachrüstung und Prüfung der Funktion vorhandener Messeinrichtungen, Handlungsempfehlung für Betreiber und Ingenieurbüros», Herausgeber: DWA-Landesverband Baden-Württemberg, Dezember 2019 ↩︎
- Publikation «Messeinrichtungen für Regenüberlaufbecken, Handlungsempfehlung für die Nachrüstung und Prüfung der Funktion vorhandener Messeinrichtungen, Handlungsempfehlung für Betreiber und Ingenieurbüros», Herausgeber: DWA-Landesverband Baden-Württemberg, Dezember 2019 ↩︎
- Publikation «Messtechnik in der Siedlungsentwässerung», Herausgeber: VSA, Aktualisierung 2019 ↩︎
- Merkblatt DWA-M181 «Messung von Wasserstand und Durchfluss in Entwässerungssystemen», Herausgeber: DWA, September 2011 ↩︎
- Publikation «Messeinrichtungen für Regenüberlaufbecken, Handlungsempfehlung für die Nachrüstung und Prüfung der Funktion vorhandener Messeinrichtungen, Handlungsempfehlung für Betreiber und Ingenieurbüros», Herausgeber: DWA-Landesverband Baden-Württemberg, Dezember 2019 ↩︎
- Publikation «Messeinrichtungen für Regenüberlaufbecken, Handlungsempfehlung für die Nachrüstung und Prüfung der Funktion vorhandener Messeinrichtungen, Handlungsempfehlung für Betreiber und Ingenieurbüros», Herausgeber: DWA-Landesverband Baden-Württemberg, Dezember 2019 ↩︎
- RÜB-BW, DWA-Landesverband Baden-Württemberg [Stand 10.11.2021];
https://www.rueb-bw.de/fachinformation/grundlagen_regenbecken/
https://www.rueb-bw.de/fachinformation/messtechnik/ ↩︎ - Publikation «Regenbecken im Mischsystem. Messen, Bewerten und Optimieren», Praxisleitfaden für den Betrieb von Regenbecken, Herausgeber: DWA-Landesverband Baden-Württemberg, Februar 2017 ↩︎
- Publikation «Regenbecken im Mischsystem. Messen, Bewerten und Optimieren», Praxisleitfaden für den Betrieb von Regenbecken, Herausgeber: DWA-Landesverband Baden-Württemberg, Februar 2017 ↩︎
- Publikation «Messeinrichtungen für Regenüberlaufbecken, Handlungsempfehlung für die Nachrüstung und Prüfung der Funktion vorhandener Messeinrichtungen, Handlungsempfehlung für Betreiber und Ingenieurbüros», Herausgeber: DWA-Landesverband Baden-Württemberg, Dezember 2019 ↩︎