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Von der ARA Aïre zum selbstverwalteten Kulturzentrum PORTEOUS

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Ein verlassenes Industriegebäude aus den 1960er-Jahren, eine kreative Besetzung, politisches Ringen und eine Vision für eine gemeinschaftlich gestaltete Stadt: Die Umnutzung der ehemaligen Schlammbehandlungsanlage der ARA Aïre zeigt, wie industrielle Relikte zu lebendigen Kulturorten werden können.

Aussenaussicht der ehemaligen ARA Aïre
Aussenaussicht der ehemaligen ARA Aïre
Innenansicht Porteous
Innenansicht Porteous
Arbeiten im Porteous
Arbeiten im Porteous
Sommerevent im Porteous
Sommerevent im Porteous

Bildquellen: Greg Clement (Bild 1), Association Porteous (Bild 2, Bild 3), Liubov Krivenkova (Bild 4)

Über zwanzig Jahre stand das ikonische Betonbauwerk Porteous leer, bis das Kollektiv Prenons la ville 2018 das ungenutzte Potenzial erkannte – und demonstrativ nutzte. Die Besetzung während des traditionellen Flossrennens auf der Rhone erregte grosse Aufmerksamkeit und verhinderte die geplante Umwandlung in eine Haftanstalt. Das politische Momentum führte schliesslich dazu, dass das Gebäude dem Departement für sozialen Zusammenhalt übertragen wurde – der Startschuss für eine kulturelle Wiederbelebung.

Das Projekt PORTEOUS transformiert die ehemalige Schlammbehandlungsanlage der ARA Aïre in ein selbstverwaltetes Kulturzentrum. Als Teil eines denkmalgeschützten Industrieensembles am Rhoneufer wird das Gebäude schrittweise und partizipativ saniert. Die Architekt:innen von Sujets Objets verfolgen eine experimentelle, inkrementelle Methode, die Nutzung und Normen hinterfragt und auf vorhandene Ressourcen – Architektur, Geschichte, Landschaft – aufbaut. Der erste realisierte Raum, das Chic & Shlag, dient als multifunktionale Küchen- und Bauhütte sowie als gemeinschaftlicher Denkraum. Die Transformation wird von einer breiten Trägerschaft getragen, darunter der Verein Porteous und die Stiftung für emergente Kulturorte.

Das Baubewilligungsverfahren war geprägt von der besonderen Situation eines denkmalgeschützten, zugleich lange vernachlässigten Industriebaus. Die Behörden bewerteten sowohl sicherheitstechnische als auch denkmalpflegerische Anforderungen, während gleichzeitig ein nutzungsorientiertes, niederschwelliges Vorgehen notwendig war, um schrittweise Öffnungen zu ermöglichen. Die Etappierung des Projekts verlangte flexible Bewilligungen, die temporäre und permanente Nutzungen differenziert berücksichtigten.

Die Initiant:innen erlebten den Prozess als komplex, aber auch lernreich. Die partizipative Planung stiess zunächst auf ungewohnte Strukturen; dennoch zeigten sich die Behörden offen für innovative Wege. Besonders wertvoll war der kontinuierliche Dialog zwischen Verein, Architekturteam und Verwaltung – ein Dialog, der traditionelle Abläufe aufbrach und neue Handlungsspielräume eröffnete.

Porteous liegt in einem industriegeschichtlich bedeutenden Band entlang der Rhone, dessen ursprüngliche Logistik über die Wasserstrasse eine einzigartige räumliche Ausrichtung prägte. Die Umnutzung trägt zur Revitalisierung dieses urban-industriellen Landschaftsraums bei, ohne dessen Identität zu überformen. Die Transformation ermöglicht eine öffentlich zugängliche Nutzung an einem zuvor abgeschlossenen Ort und stärkt damit die räumliche Durchmischung und soziale Integration.

Die Wiederverwendung eines Bestandsbaus stellt per se einen wichtigen Beitrag zur Reduktion grauer Energie dar. Statt Abriss und Neubau setzt das Projekt auf minimale Eingriffe, Reparatur, Wiederverwendung und gemeinschaftliche Bauprozesse. Die inkrementelle Herangehensweise vermeidet Überplanung, fördert ressourcenschonendes Bauen und ermöglicht, Materialien vor Ort sinnvoll weiterzuverwenden – ein gelebtes Prinzip der Kreislaufwirtschaft.

Porteous ist im Inventar schützenswerter Bauten verzeichnet – ein Zeugnis konstruktivistischer Industriearchitektur der 1960er-Jahre. Die Sanierung respektiert die rohe Materialität, die markante Auskragung über dem Fluss und die sorgfältig gestalteten Fassadenelemente. Der Umgang mit diesem baulichen Erbe ist zurückhaltend: Eingriffe erfolgen nur dort, wo sie sicherheitsrelevant oder nutzungsbedingt notwendig sind. Das Ergebnis stärkt die Sichtbarkeit und Wertschätzung eines weitgehend unbekannten Baukulturobjekts.

Zu den Herausforderungen zählten der bauliche Zustand nach langer Aufgabe, die komplexen statischen und sicherheitstechnischen Anforderungen sowie die Koordination partizipativer Entscheidungsprozesse. Hinzu kamen die Spannungsfelder zwischen behördlicher Vorsicht, kultureller Freiheit und denkmalpflegerischen Auflagen. Auch die Suche nach Finanzierungsetappen und die logistische Organisation vor Ort verlangten Kreativität und Durchhaltevermögen.

Porteous zeigt, dass industrielle Relikte nicht nur bewahrt, sondern mit gemeinschaftlichem Engagement neu belebt werden können. Die Umnutzung beweist, wie wertvoll flexible Planungsprozesse, behördenübergreifende Kooperation und das Vertrauen in lokale Initiativen sind. Wichtigste Erkenntnis: Kultur entsteht dort, wo Räume offen bleiben – architektonisch, politisch und gesellschaftlich.

Planung und Fertigstellung: 2022 – 2032

Projektkosten der ARA-Umnutzung in CHF: 10–20 Mio.

Kanton: Genf

Gemeinde: Vernier


Eigentümer/-in: Kanton Genf

Bauherrschaft: Kanton Genf, Departement für sozialen Zusammenhalt

Externe Projektleitung: Verein Porteous

Beteiligte: Architekturbüro Sujets Objets, Kanton Genf, Fondation Culture du Bâti (FPLCE)


Autorenschaft Projektpräsentation: Paul Sicher

Verein Porteous (E-MAIL)

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